BIBLIOTHEKSPLÄNE, 1835

Nicht realisiert wurden die von Schinkel vorgelegten Pläne für einen Neubau der öffentlichen Königlichen Bibliothek. Der erste Entwurf sah einen querrechteckigen dreieinhalbgeschossigen Bau um einen Innenhof vor, dessen Kanten von runden Türmen flankiert sind. Die vier Fassaden mit 19 zu 11 Achsen sind einheitlich gegliedert durch die Reihung von tief eingeschnittenen dreistöckigen Fensterachsen über einer Sockelzone, die von kolossalen Schein- oder Blendarkaden überfangen werden. Diese hohen Arkaden sind jedoch nicht vorgeblendet. Sie bilden vielmehr das konstruktive Gerüst, in das die Füllmauern mit den Fenstern eingestellt sind. Ein mit den Längsseiten verbundener Rundbau im Innenhof sollte das Treppenhaus aufnehmen und das Gebäude erschließen.

Der Grundriß ist durch ein auf die Fensterachsen bezogenes quadratisches Rastersystem bestimmt. Zur Inneneinteilung führte Schinkel aus: "Das Gebäude bildet in jedem Geschoß einen einzigen Saal, der sich durch die längeren und kürzeren Seiten um einen inneren Hof umherzieht, an allen Seiten mit Fenstern umgeben ist, zwischen denen die Bücherschränke so aufgestellt sind (...), daß so viele Kompartimente gebildet werden als Fenster sind und durch das ganze Lokal ein breiter freier Mittelgang bleibt."

Der erste Plan war dem König zu schlicht. So legte Schinkel, ebenfalls 1835, einen Entwurf mit reicherer, kleinteiliger Fassadengestaltung vor. Es ist ein quadratischer Baukörper mit 15 zu 15 Achsen. Stärker betont ist die dreiachsige Eingangszone durch vier Pfeiler, auf denen Karyatiden, die in das zweite Geschoß reichen, die Pilaster der mittleren drei Kolossalarkaden tragen. Inneneinteilung und die Wölbung wurden beibehalten.

Für hohe Bogenstellungen wie die kolossalen Arkaden der Bibliothek gibt es Vorbilder in der römischen Antike - bei Aquädukten und Stützmauern, aber auch an Palästen. Schinkel hatte bei seinen Reisen die römische Aula Palatina in Trier mit ihren Kolossalarkaden an den Außenmauern gesehen und war beeindruckt . Seine Zeichnung des Bauwerks von 1816 versah er mit der Anmerkung: "Trümmer in sehr schönen Bogenstellungen aus Backstein und starken Kalkfugen, die eine ganze Fassade machen." Zumindest aus Abbildungen war ihm auch der Dom zu Speyer bekannt. Als weitere mögliche Vorbilder kommen der Hochmeisterpalast der Marienburg und das Rathaus in Thorn in Frage. Schinkel hatte beide Orte auf Dienstreisen besucht.

Veronika Thum

Literatur
1 Entwurf zu einem neuen Bibliotheksgebäude, Grundrisse, Querschnitt und Aufriß, Feder und Tusche 1835, jeweils 66 x 54 cm 2 Entwurf zu einem neuen Bibliotheksgebäude, Ansicht von Nordwesten, Feder und Tusche 1835, 31 x 61 cm 3 Zweiter Entwurf zu einem Bibliotheksgebäude, Ansicht, Feder und Tusche um 1835, Ausschnitt - ganzes Blatt 98 x 92 cm 4 Zweiter Entwurf zu einem Bibliotheksgebäude, Lageplan, Feder und Tusche um 1835, 41 x 52 cm