DAS SCHLOß ORIANDER AUF DER KRIM, 1838
Das Schloß Oriander auf der Krim und viele der späteren Arbeiten Schinkels blieben unausgeführt.

Am 17. Oktober 1837 erhält die russische Zarin Alexandra Fedorovna als Geschenk von ihrem Mann, dem Zaren Nikolaus I. Orianda, ein in 500 Metern Höhe über dem schwarzen Meer gelegenes Felsplateau, daß sich auf der Halbinsel Krim bei Jalta befindet. Sie wünscht dort eine Sommerresidenz in klassischem Stil, ähnlich dem Schlößchen Charlottenhof in Sanssouci, daß Schinkel 1826/27 für ihren Bruder, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. erbaut hatte.

In unsere Tage haben sich zwei Entwürfe für das Schloß Oriander in völlig unterschiedlicher Art erhalten. Einer, genannt der "moskowitische" im russischen Stil und ein "antikischer", zu dem drei Vorentwürfe existieren und aus dem der entgültige Plan hervorgegangen ist. Der "russische

Entwurf" zeigt das Hauptgebäude des Schlosses, daß sich als langgestreckte Anlage mit einem Gartenperistyl darbietet. Vier kräftige, in schmuckhafte Spitzhelme endigende Rundtürme verleihen dem Bau auf den ersten Blick bauliche Akzente die an den Moskauer Kreml erinnern können.

Bei allen "antikischen" Plänen ist ein dreiteiliges Atrium vorhanden, da die Zarin ein Vorhandensein einer derartigen Architektur ausdrücklich wünschte. Der früheste uns erhaltene Entwurf stammt von Kronprinz Friedrich Wilhelm IV., wahrscheinlich bei einer Besprechung mit Schinkel entstanden. Es zeigt eine dreiflügeligen quadratischen Hauptbau mit großem Peristyl, dem ein kleinerer Atriumbereich von der Breite des Peristyls vorgelegt ist. Die Verbindung mit diesem stellt eine Art Tablinium dar, in dem

seitlich zwei Treppen in das obere Geschoß führen. Ein sechssäuliger Pronaos bildet den Eingang und verbindet mit einer vierschiffigen Säulenhalle, die in das Impluvium führt.

Der erste Vorentwurf Schinkels sieht mehrere Änderungen des Planes von Kronprinz Friedrich Wilhelm vor. Das Atrium, nun ohne Impluvium peristylartig erweitert, und das große aus dem vorigen Entwurf übernommene Peristyl des Hauptbaues sind hier quergelagert und zwischen ihnen stellt ein schmaler, mit dem hinteren Peristyl fluchtender, offenbar galerieartiger Hof die Verbindung her. An diesem

links und rechts von Treppen flankierten Innenhof beginnen Wohntrakte, die sich zu beiden Seiten über die ganze Fassade erstrecken.

Der zweite und letzte Vorentwurf zum Schloß Oriander liegt der endgültigen Ausführung schon sehr nahe. Bis auf die Ausbildung je eines halbrund hervorspringenden Cabinets links und rechts der Terrasse zum Meer, hat Schinkel den Plan nur noch geringfügig verändert.

Der endgültige Entwurf sieht eine große halbrunde Auffahrt vor, über die die Besucher zu den drei quadratischen, zweistöckigen Atrien gelangen. Im linken dieser Gebäude sind Unterkünfte für das Kammer- und Hofpersonal, im rechten für die Hofdamen vorgesehen. Der mittlere Bau beherbergt Lakaien und Bedienstete und stellt den einzigen Durchgang zum Kaiserlichen Hof dar. Die seitlichen Atrien bieten links u. a. Zugang zu den Wachen, zur Bibliothek und zum Schlafzimmer des Zaren. Die rechte Seite eröffnet den Weg zu verschiedenen Cabinets und zum Schlafzimmer der Zarin und zu denen ihrer Kinder. Jeweils zwei gegenüberliegende Zimmer in beiden Flügeln springen nach vorne und gliedern somit die Außenfassaden. Schinkel verwendet bei der dem Meer zugewandten Fassade eine vollendete Symmetrie. Die Räume, einen quadratischen kleinen Empfangssaal, gefolgt von einem länglichen Raum mit halbrund hervorspringendem Cabinet und einem kleinen Saal spiegelt Schinkel an der großen Halle in der Mitte, die sich zu einer riesigen Terrasse mit Karyatidenportikus öffnet. Der Zugang zu diesen Räumen ist abwechselnd zum Meer oder zum Garten gelegen. Im Garten sind kunstvoll Grünflächen mit Büschen und Brunnen und einem schattigen

Laubengang arrangiert. Das Mittel- und Herzstück der ganzen Anlage ist ein Belvederetempel von doppelter Säulenreihe umgeben, auf einem mächtigen Baukubus in dem sich ein Museum der Krim befinden sollte. Zu seinen beiden Seiten führten gerade Treppen mit Ruhepodesten auf das Dach, wo der Tempel in einem hängenden Garten steht.

Karl Friedrich Schinkel muß früh Zweifel gehabt haben, ob der Plan bei der Auftraggeberin Zustimmung finden würde. Er hatte den Bau wesentlich größer gestaltet, als es gewünscht worden war, da sich das Schloß nicht, wie er schrieb "durch zu geringen Umfang unbeschadet in der Menge verlieren" sollte. Wegen mangelnder Wasserversorgung - so hieß es - wurde das Traumschloß nie gebaut. Aus Briefen der Kaiserin ist uns jedoch überliefert, daß ihr der Plan zu monumental in der Anlage und zu langweilig in der Ausführung war.

Abschließend ist zu überlegen, ob nicht all diese unausgeführten Projekte zu einem großen letzten Schaffenswerk gehören, bei dem es Schinkel mehr um die Findung von architektonischen Ideallösungen ging, die den Ruf des Architekten verewigen, als um Pläne, die wirklich gebaut werden sollten?

Bettina Braun

Literatur
1 Ansicht der Karyatidenvorhalle auf der Meerseite, Aquarell 1838, 48,0 x 49,2 cm 2 Fassadenaufrisse der Meerseite, Landseite und des Kaiserlichen Hofes, Feder in Schwarz, aquarelliert 1838, 47,3 x 60,4 cm 3 Längsschnitt durch den kaiserlichen Hof und Aufriß des Längsflügels, Feder und Aquarell 1838, 35,0 x 90,4 cm 4 Grundriß, Feder 1838, 76,0 x 51,0 cm 5 Blick vom Empfangshügel am Meer in den kaiserlichen Hof, Aquarell 1838, 44,6 x 45,0 cm