BERLINER VORSTADTKIRCHEN, 1832-1835

Nördlich der Spree waren neue Vororte herangewachsen, für die Kirchen gebaut werden sollten. 1828 beschloß König Friedrich Wilhelm III. den Bau von je zwei neuen Kirchen von kostengünstiger, einfacher Bauart ohne Türme, mit je 2500 bis 3000 Sitzplätzen. Schinkel legte fünf Entwürfe für Emporenkirchen vor, versuchte aber den König davon zu überzeugen, daß derartigen "Hörsälen für moralische Vorlesungen" nicht der Charakter von Erhabenheit gegeben sei und sie nicht von Gebäuden weltlicher Zwecke zu unterscheiden wären. Mit Bezug auf die englischen Commissioners´ Churches schrieb Schinkel: "Einen sichtbaren Beweis für die Richtigkeit des hier Angeführten geben die vielen in Englands großen Städten erbauten Aktienkirchen, die bei dem Sinn der Unternehmer auf Gewinn gewiß die größtmöglichen Ausdehnungen erhalten haben, indem aber selten oder nie die Zahl der Sitzplätze bis auf 2000 steigt." Mit der Kirche vor dem Rosenthaler Tor wurde 1831 begonnen. Eine Choleraepedemie zwang zu einer Pause. Anfang 1832 erhielt Schinkel den Auftrag, statt der zwei großen Kirchen vier kleinere für je 800 bis 1000 Personen zu planen. Schinkel legte fünf neue Entwürfe vor, von denen der König drei zur Ausführung bestimmte. Weiterhin sollte die Kirche vor dem Rosenthaler Tor, mit deren Bauvorbereitung schon begonnen worden war, in reduzierter Form vollendet werden. 1835 waren alle vier Kirchen vollendet, vom 21. Juni 1835 an wurden sie eingeweiht, jeden Sonntag eine, und erhielten vom König ihre Namen.

Alle vier Kirchen sind Backsteinbauten ohne Türme. Ein Kreuz auf dem Giebel der Fassade betont den kirchlichen Charakter. Die Grundrisse sind gleichartig: Saalbauten mit Vorhalle zwischen zwei Treppentürmen, die Zugang zu den an drei Seiten eingestellten Emporen bieten, Chorjoch mit Annexräumen und halbrunder Apsis. Die verschiedenen Elemente sind such an der Außenseite ablesbar: Vorhalle mit Treppenhäusern und Chorjoch mit Anräumen sind an den Seitenfassaden durch Schattenfugen abgesetzt und durch kleine Fenster belichtet. Jede Kirche hat drei Eingangsportale jeweils gleicher Größe über einer Treppenalnlage. Stilistisch variierte Schinkel und gab jeder Kirche einen eigenen Charakter.

Die größte der drei Kirchen ist die Elisabethkirche vor dem Rosenthaler Tor, jetzt Invalidenstraße 3. Sie hat eine äußere Vorhalle mit Antenportikus, dessen Gebälk um die ganze Kirche als Gesims weitergeführt wird. Der Saal wird durch zwei Reihen hochrechteckiger Fenster belichtet. In den Saal sind Emporen übereinander gestellt. Sie überschneiden die Fenster. Die Emporenpfeiler reichen bis zur Kassettendecke, sodaß die Elisabethkirche dreischiffig wirkt.

Kleiner sind die anderen Kirchen. Sie haben jeweils nur eine Empore, die zwischen die beiden Fensterreihen eingestellt ist. Kleine Fenster belichten den Raum unter der Empore, die volles Licht von der Reihe großer Fenster enthält.

Die Nazarethkirche auf dem Wedding am Leopoldplatz 2. wurde von Schinkel im Rundbogenstil errichtet. Neben den drei Eingangsportalen und der Rosette betonen je zwei kleine Fenster die seitlichen Treppenhäuser. Der Giebel ist abgesetzt. Der Saalraum wird von einer Flachdecke geschlossen.

Bei der Paulskirche am Gesundbrunnen, Badstraße 50, wählte Schinkel wieder einen antikisierenden Stil. Über beide Geschosse reichende kannelierte korinthische Pilaster gliedern den Außenbau. Die vier Pilaster der Eingangsfassade mit drei hochrechteckigen Portalen dazwischen tragen ein Gebälk, das sich um den ganzen Bau fortsetzt. Darüber ist wieder ein abgesetzter stumpfwinkliger Giebel. An den Seitenfassaden rahmen die Pilaster die hochrechteckigen Fenster.

Veronika Thum

Literatur
1 Berlin, Elisabethkirche 2 Berlin, Nazarethkirche 3 Elisabethkirche und Johanniskirche aus den "Architektonischen Entwürfen", 1834 4 Berlin, Paulskirche 5 Nazarethkirche und Paulskirche aus den "Architektonischen Entwürfen", 1834