ENGLANDREISE, 1826
Die von Schinkel zwischen Mitte April und 22. August 1826 durchgeführte Englandreise, in deren Verlauf er sich auch für drei Wochen in Paris aufhielt, gilt als bedeutende Inspirationsquelle für einen spezifischen Teil seiner Bauten, Entwürfe und architektonischen Details. Sie ist durch 75 Tagebuchseiten mit über 200 Textskizzen, neun Briefe an seine Frau Susanne sowie 35 größere Zeichnungen, in denen Stadtansichten, Industriekonglomerate, Brücken und Landschaftseindrücke festgehalten sind, außerordentlich gut dokumentiert und nachvollziehbar.

Offiziell hatte Friedrich Wilhelm III. seinen Architekten angewiesen, "berufs der künftigen Einrichtungen des hiesigen Museums (...) von der Einrichtung der Museen in Paris und London ganz genau Kenntniß (zu) nehmen, und (...) dahin zu reisen und sich diese Kenntnis zu verschaffen." Allerdings spielte diese Aufgabe während der gesamten Reise dann eine sehr geringe Rolle und zog keinerlei konkrete Veränderungen des Neuen Museums in Berlin nach sich. Im Vordergrund stand vielmehr eindeutig die Besichtigung erst jüngst errichteter Gebäude und vor allem der Besuch von Industrie- und Ingenieursbauten, die

aufgrund der bereits weit fortgeschrittenen industriellen Revolution in England zu Größen und Formen herangewachsen waren, die für Preußische Augen extrem ungewöhnlich gewesen sein dürften. So stammen die bewegtesten Tagebucheinträge auch von den Eindrücken her, die direkt mit den zu beobachtenden industriellen Veränderungen in England zusammenhingen, wie zum Beispiel bei den Beschreibung der Eisenwerke in der Nähe von Dudley, der gewaltigen Eisenbrücke über die Menai Strait oder dem Industriezentrum Manchaster. Dabei hat Schinkel es selten versäumt, sich die konstruktiven

Eigenheiten der meist aus Eisen bestehenden Fabrikhallen und Brücken in beschrifteten Skizzen aufzuzeichnen. Neben den für die Vorstadtkirchen Schinkels bedeutenden englischen Vorbildern und den Möbelentwürfen der Brüder Adam beeinflußten offenbar vor allem die englischen Eisenkonstruktionen das folgende Werk Schinkels. Auch wenn die sehr eingeschränkten Preußischen Produktionsmöglichkeiten einen umfassenden Einsatz von Eisen nicht zugelassen haben, scheint die für englische Industriebauten typische Konstruktionsweise - flache Gewölbekappen auf Eisenstützen - und die dadurch ermöglichten weiten, nur von Stützen unterbrochenen Räume für die Bauakademie oder die Bibliothek nicht bedeutungslos gewesen zu sein. Auch die Fassadengestaltung der Industriebauten, die großen Glasfenster, hoch aufschießenden Lisenen und die über den Fenstern liegenden Bogenformen stehen in auffallender Nähe zu Bauakademie oder Kaufhausentwurf. Darüber hinaus lassen sich viele kleinere Gebäudedtails aus Eisen, so zum Beispiel Vordächer und Treppen, direkt auf während dieser Reise gesehene Vorbilder zurückführen.

Markus Eisen

Literatur
1 Englandkarte mit eingetragenem Reiseverlauf 2 Ansicht der Potteries von Etruria bei Newcastle under Lyme, Feder und Bleisift 1826, 14,0 x 17,6 cm 3 Tagebuchseite vom 25. Juli 1826, Tuchfabriken in Stroud und Wotton under Edge, Feder 1826