Erste Italienreise 1803-1805
Eine kleine Erbschaft ermöglichte es Schinkel 1803, eine "lang gehabte Sehnsucht" zu befriedigen, und mittels einer Studienreise nach Italien seine Architektenausbildung abzurunden. Am 1. Mai bricht er mit seinem gleichaltrigen Freund, dem Architekten Johann Gottfried Steinmeyer, in Berlin auf und reist über Dresden, Prag , Wien und Triest nach Venedig. Wie seine späteren Reisen, ist auch auch diese durch Tagebucheintäge sowie zahlreiche Zeichnungen und Skizzen gut dokumentiert.

Entgegen den Gewohnheiten der sonst im 18. und frühen 19. Jahrhundert in Italien reisenden Künstler übergeht Schinkel die üblichen Studienobjekte klassischer Kunst, die Überreste der römischen und griechischen Antike sowie die Bauten Palladios in seinen Aufzeichnungen größtenteils, und wendet sich dafür den bis dahin kaum beachteten Bauten des Mittelalters zu. Dieses für 1803 außerordentlich auffällige und bemerkenswerte Interesse des 22-Jährigen schlägt sich nicht alleine in dem scheinbaren Versuch nieder, unter die noch ausgesprochen undifferenzierten Begriffe "gotisch" und "sarazenisch" jeweils hochmittelalterliche und frühmittelalterliche Bauten zu subsumieren und damit zwei Architekturstile des Mittelalters voneinander zu scheiden, sondern auch ein unmittelbar praktischer Bezug wird immer wieder deutlich: Die neu entdeckten Architekturformen und Gestaltungsprinzipien, gerade die der als "sarazenisch" bezeichneten Romanik, glaubt Schinkel auch für die Gegenwart nutzbringend verwerten zu können, natürlich nicht als direkte Übernahme und Kopie, aber in Verbindung mit modernen Architekturvorstellungen. Hier zeichnet sich bereits ab, was in einer späteren Phase explizit angestrebt wird: Die Verschmelzung mittelalterlicher und antiker Baukunst zu etwas Neuem und Höherem. Noch in Sizilien kam Schinkel dann die Idee, seine Studien in einem kommentierten Stichwerk über mittelalterliche Architektur dem deutschen Publikum näherzubringen.

Wenn dieses Projekt auch scheiterte, so dürfte doch in die von Schinkel später angefertigten Dioramen und Panoramen des öfteren Landschaftseindrücke und -skizzen aus Italien eingeflossen sein. Schinkel hatte sie in so großer Anzahl angefertigt, daß man ihn in Rom zu seinem Leidwesen häufig für einen Maler und nicht für einen Architekten ansah. Bloße Architekturansichten sind selten, fast immer sind die festgehaltenen Bauten in die Landschaft eingebettet, die oft sogar die Darstellung dominiert. Diese starke Betonung des Zusammenwirkens von Architektur und lanschaftlicher Umgebung behält seinen Einfluß weit in das architektonische Werk Schinkels hinein.

Über Paris, wo Schinkel die Krönungsfeierlichkeiten Napoleons zum Kaiser miterlebte und im Louvre die Malerei Europas an einem Ort zentriert besehen konnte, kam er Anfang März 1805 nach Berlin zurück.

Markus Eisen

Literatur
1 Landhaus bei Syrakus, Feder und Pinsel in Grau, laviert 1804, 37,8 x 49,0 cm 2 Chiesa vecchia sarazenica in Pola, Feder und Pinsel in Braun, Blaistift 1804, 34,0 x 23,8 cm 3 Das Kapitol in Rom, Feder und Bleistift 1804, 48,3 x 54,3 cm